Die Benefizaktion „Leser helfen“ 2020 kommt der Selbsthilfegruppe Mukoviszidose zugute. Andrea Heinzmann, Oberärztin an der Kinderklinik Freiburg, über die schwere Erbkrankheit.
VON CHRISTIANE AGÜERA OLIVER
Ortenau/Freiburg. Bei der Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt (CF), handelt es sich um die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung. Sie wird autosomal rezessiv vererbt. Das bedeutet, dass beide Eltern die genetische Veranlagung in sich tragen, selbst aber nicht davon betroffen sein müssen.
Oberärztin Andrea Heinzmann leitet an der Universitäts-Kinderklinik in Freiburg die zertifizierte Mukoviszidose-Ambulanz und ist daher für die jungen Patienten und betroffenen Angehörigen eine wichtige Ansprechpartnerin. Die habilitierte Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Allergologie, Pädiatrische Pneumologie sowie Neonatologie erklärt im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse, wie Mukoviszidose festgestellt und therapiert werden kann.
Die Häufigkeit, eine genetische Veränderung für Mukoviszidose zu haben, liegt bei 1:25. Wenn beide Eltern ein krankes Gen tragen, können die Kinder an der unheilbaren zystischen Fibrose erkranken. Etwa 8000 Menschen in Deutschland sind von einer Mukoviszidose betroffen. „Bei der CF liegt ein defekter Chloridkanal auf der Zelloberfläche vor. Dadurch kann nicht in ausreichender Menge Chlorid aus den Zellen transportiert werden“, erklärt Andrea Heinzmann. In der Folge komme es zu einer Verdickung aller Sekrete, die im Körper gebildet werden. Der Begriff Mukoviszidose kommt aus dem Lateinischen und bedeutet mucus (Schleim) und viscidus (zäh, klebrig), also Erkrankung mit zähem Schleim.
Andere Organe betroffen
Besonders betroffen seien Lunge und Bauchspeicheldrüse. „Typische Beschwerden bei an Mukoviszidose erkrankten Kindern sind daher ein feuchter, „produktiver“ Husten, häufige Luftwegsinfekte und eine Verdauungsstörung. Weiterhin kann durch eine Verdickung der Gallenflüssigkeit eine Leberbeteiligung auftreten“, beschreibt sie, weshalb Mukoviszidose verschiedene Organsysteme und Fachbereiche betrifft. Die Kinder und Familien werden von einem multiprofessionellen Team begleitet. Dazu gehören Physiotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter, Ernährungsberater, Lehrer und natürlich Kinderkrankenpfleger auf Station und in der Ambulanz.
Die komplette Diagnostik bei Verdacht auf eine Mukoviszidose wird in der Uniklinik angeboten. Seit 2016 wird zudem im Neugeborenenscreening auf CF getestet. Wichtig dabei zu wissen: „Nur bei etwa jedem fünften Kind mit einem auffälligen Screeningbefund bestätigt sich der Verdacht auf eine Mukoviszidose“, sagt Heinzmann. Falle das Screening positiv aus, folgt im nächsten Schritt ein Schweißtest, bei dem der Chloridgehalt im Schweiß gemessen werde. Bestätigt sich dabei die Diagnose Mukoviszidose, schließt sich eine genetische Untersuchung an. Die Kenntnis der zugrunde liegenden genetischen Veränderungen seien insbesondere für die weitere Therapie essentiell. Mehr als 2000 sogenannte Mutationen sind in dem sehr großen Gen, das bei der Erkrankung verändert vorliegt, bekannt. „Daher kann die Suche nach den Mutationen viel Zeit in Anspruch nehmen“, sagt die Professorin. Zudem sei bislang nur bei einem Teil dieser Veränderungen bekannt, ob sie tatsächlich eine CF auslösen oder nur „Normvarianten“ darstellen.
Der Krankheitsverlauf ist sehr individuell und hängt unter anderem von der Therapie ab. „Eine konsequente Therapie ist bei Mukoviszidose für den weiteren Verlauf der Erkrankung entscheidend“, betont die Fachärztin. Ziel sei es, eine Verschlechterung der Lungenfunktion zu verhindern. Durch tägliche Inhalationen mit Kochsalzlösung und bei Bedarf durch weitere Medikamente, wird der Schleim in der Lunge verflüssigt. „Eine regelmäßige Physiotherapie und das Erlernen von speziellen Atemtechniken tragen zusätzlich dazu bei, dass der Schleim aus der Lunge abgehustet werden kann“.
Falls die Bauchspeicheldrüse mit betroffen ist, was bei etwa 90 Prozent der Patienten der Fall ist, müssen zu allen fetthaltigen Mahlzeiten Verdauungsenzyme verabreicht werden, zudem täglich fettlösliche Vitamine.
In den vergangenen Jahren seien erstmals Medikamente entwickelt worden, die direkt die Funktion des Chloridkanals verbessern. „Diese Therapie ist an das Vorliegen bestimmter genetischer Veränderungen gebunden.“ Damit sei erstmalig eine kausale Therapie möglich. „Auch wenn Langzeitdaten dieser neuen Therapieform derzeit noch ausstehen, wird davon ausgegangen, dass dadurch der Verlauf der CF entscheidend verbessert wird“, ist sich die Professorin sicher.
Erschienen in der Mittelbadischen Presse am 03.11.2020