Ihr Motto: Nur gemeinsam kann etwas bewegt werden

Benefizaktion „Leser helfen“ unterstützt Kinder und Jugendliche, die an der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose leiden. Heute im Porträt: die Selbsthilfegruppe Ortenau.


Aufsteigende Tendenz dank „Leser helfen“ – das hofft der Vorstand der Selbsthilfegruppe Mukoviszidose Ortenau (von links): Johannes Schneider (stellvertretender Gruppensprecher), Silke Bildstein (Finanzen), Willi Kohler (Gruppensprecher) und Klaus Metzinger (Schriftführer). Foto: Iris Rothe

VON CHRISTIANE AGÜERA OLIVER

Ortenau. Nur gemeinsam kann etwas bewegt werden. Dies beweist die Mukoviszidose-Regionalgruppe Ortenau seit 35 Jahren. Etwa 60 von der unheilbaren Stoffwechselerkrankung Betroffene sind der Gruppe bekannt. Die Dunkelziffer ist weit höher. Die Aktion „Leser helfen“ der MITTELBADISCHEN PRESSE unterstützt die wertvolle Arbeit der Regionalgruppe, die jeden Euro dringend gebrauchen kann. Wichtigstes Ziel ist, die mobile Physiotherapie zu sichern, die für die betroffenen Kinder ein Segen ist.

Das Ziel der Selbsthilfegruppe ist klar: Die bisher unheilbare Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose muss heilbar werden. Unermüdlich setzt sich die Regionalgruppe – die Mitglieder sind in der Regel Eltern betroffener Kinder – dafür ein. Allen voran Gruppensprecher Willi Kohler aus Zell a. H., der Seebacher Johannes Schneider als stellvertretender Sprecher, Schriftführer Klaus Metzinger aus Bühl-Vimbuch sowie Silke Bildstein (Finanzen), ebenfalls aus Zell a. H. Die Gruppe finanziert sich durch Spenden. Sie kümmert sich um den Aufbau und die Sicherstellung einer mobilen Physiotherapie in der Ortenau. Die Finanzierung der Weiterbildung von Physiotherapeuten zur Behandlung von Mukoviszidose-Patienten gehört ebenfalls dazu.

Niedrige Lebenserwartung

„Früher galt Mukoviszidose als reine Kinderkrankheit, die Betroffenen erreichten selten das Erwachsenenalter und wurden deshalb der Kinderheilkunde zugeordnet. Die jungen Erwachsenen benötigen jedoch eine altersspezifische Behandlung auf heutigem Niveau“, erklärt Kohler, weshalb die Transition, also der Übergang von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin, in der Uniklinik Freiburg unterstützt wird. Fachambulanzen in der Region sowie Forschungsprojekte in Abstimmung mit Bundes- und Landesverband erhalten Zuschüsse. Die Ausstattung des Sozialfonds gehört zum Umfang, genauso wie die Hilfe zur Selbsthilfe durch Erfahrungsaustausch und Beratung.

Nicht vergleichbar seien die Anfänge der Selbsthilfegruppe mit heute. „Da bestand zweifelsohne ein großer Informationsbedarf“, berichtet Klaus Metzinger. „Während man sich sämtliche medizinischen Infos mühsam und fast ohne Hilfe zusammentragen musste, kann man heute alles im Internet – ob richtig oder falsch – finden“, ergänzt Willi Kohler. Als seine Tochter 1982 mit Mukoviszidose geboren wurde, war die Krankheit den Eltern völlig unbekannt. Die mittlere Lebenserwartung bei Mukoviszidose sei von vier Jahren im 19. Jahrhundert und von 18 Jahren bei der Geburt seiner Tochter auf mittlerweile gut 40 Jahre gestiegen.

1985 gründeten Helga Schmieder aus Steinach und Walburga Kohler, Ehefrau des heutigen Sprechers, die Selbsthilfegruppe. Über ein Zeitungsinserat suchten sie nach weiteren Betroffenen, um sich auszutauschen und so schnell wie möglich vernünftige Informationen über diese tödliche Erbkrankheit zu erhalten.

Auch Klaus Metzinger, Schriftführer der Gruppe, hat eine inzwischen 38-jährige Tochter mit Mukoviszidose. Erst im Alter von sechs Jahren wurde bei ihr die Krankheit diagnostiziert. Im Mai 2017 erhielt sie nach langjähriger Abhängigkeit von Sauerstoff in Homburg (Saar) eine neue Lunge. „Dafür sind wir sehr dankbar und deshalb engagiere ich mich weiterhin, damit möglichst viele Betroffene eine neue Perspektive für ihr junges Leben bekommen“, sagt Metzinger.

„Früher schloss man sich zusammen, um Sorgen zu teilen und Hilfestellung zu geben“, sagt Johannes Schneider, bei dessen Tochter die Krankheit 2011 durch ein Neugeborenen-Screening diagnostiziert worden ist. Er sieht als einer der heutigen Schwerpunkte eher das Generieren von Spendengeldern, damit die Betroffenen in der Region eine angemessene medizinische Versorgung erhalten. So habe der Schutzengel-Lauf mit 1400 Teilnehmern im Jahr 2019 zu einer breiteren Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit beigetragen.

Anders als ihre Mitstreiter hat Rechnerin Silke Bildstein kein krankes Kind, aber ihre beste Freundin ist an Mukoviszidose erkrankt. „Wenn es einem wichtigen Menschen nicht gut geht, möchte man irgendwie helfen“, beschreibt sie ihre Motivation.

Doch Motivation und Idealismus allein reichen nicht, zumal sich die Situation im Gesundheitswesen nicht verbessert hat. Immer weniger werde von den Kassen übernommen, so Willi Kohler. „Unsere Betroffenen sind dringend auf Unterstützung angewiesen, besonders in dem Jahr, in dem unser Schutzengel-Lauf coronabedingt ausfiel“, ergänzt Johannes Schneider und hofft auf viele „Leser helfen“-Spenden.

Erschienen in der Mittelbadischen Presse am 06.11.2020