Die Krankheit prägt ihren Alltag

Die Benefizaktion „Leser helfen“ unterstützt die Selbsthilfegruppe Mukoviszidose, die dringenden Finanzbedarf hat. Die Mädchen Kyra (11) und Isabella (2) – beide unheilbar erkrankt – profitieren von den Spenden


Je mehr Bewegung Kyra (11) und Isabella (2) haben, desto mehr werden ihre erkrankten Lungen trainiert. Für Carmen Langenecker aus Goldscheuer gehören die täglichen, oft stundenlangen Übungen mit ihren Töchtern zum Alltag. Foto: Ulrich Marx

VON CHRISTIANE AGÜERA OLIVER

Kehl-Goldscheuer. Das Familienleben von Carmen und Michael Langenecker unterscheidet sich von dem anderer komplett – es ist von der Krankheit der beiden Töchter Kyra und Isabella geprägt. Trotzdem blickt die Familie aus Goldscheuer positiv auf ihr Leben, auch wenn sich alles nach den Bedürfnissen der Mädchen richten muss. Unterstützung und Erleichterung erfährt die Familie durch die Mukoviszidose Regionalgruppe Ortenau mit der mobilen Physiotherapie als Kernstück ihres umfangreichen Hilfsangebots. Weil dies derzeit chronisch unterfinanziert ist und außerdem ein Fahrzeug fehlt, ruft die Mittelbadische Presse im Rahmen der diesjährigen Benefizaktion „Leser helfen“ zu Spenden auf. Garantiert ist dabei, dass jeder Euro den von der unheilbaren Krankheit betroffenen Kindern und Jugendlichen zugute kommt.

„Wenn man selbst nichts damit zu hat, kann man das nicht nachvollziehen“, sagt Carmen Langenecker. Auf den ersten Blick sieht man ihren Töchtern Kyra und Isabella nicht an, dass sie an der schweren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leiden. Die beiden spielen draußen, sind viel in Bewegung und werden von ihren Eltern nicht eingeschränkt.

„Das ist auch gut so“, erklärt die Mutter. Denn je mehr Bewegung, umso mehr werde die Lunge trainiert. Die zweijährige Isabella ist „ein richtiger Wildfang“, ständig in Bewegung und eifert ihrer großen Schwester Kyra nach. Trampolinspringen macht beiden Spaß. Aber was nach Spaß aussieht, ist lebensnotwendig für die Kinder. Es unterstützt die Sekretmobilisation und -entfernung aus den Bronchien.

Zudem muss auf die Ernährung penibel geachtet werden. Die Zufuhr der Vitamine A, D, E, und K ist unablässig. Mukoviszidose-Kranke leiden an einer Pankreas-Insuffizienz. Die Zufuhr von fett-, stärke- und eiweißspaltendem Pankreatin dient als Ersatz-Verdauungsenzym der Bauchspeicheldrüse und muss genau berechnet werden. 1000 Einheiten pro Gramm Fett benötigt die Elfjährige, bei ihrer Schwester sind es 5000 Einheiten.

Sie müssen viel trinken, um den Schleim flüssig zu halten. Schon als sie noch Babys waren, musste die Mutter den Schoppen der Mädchen „versalzen“. In den Sommermonaten verabreicht sie ihren Kindern zusätzlich „ganz gewöhnliches“ Salz, außerdem wird mindestens zwei Mal am Tag mit Salz inhaliert. „Sie schwitzen mehr als gesunde Menschen und verlieren dadurch Salz“, erklärt die Mutter. Salz sei für den Transport des Schleims wichtig.

Am Anfang schockiert

Über einen Schweißtest, der eher durch Zufall bei Kyra angeordnet wurde, wurde die Diagnose Mukoviszidose bestätigt. Damals war die Kleine ein halbes Jahr alt und lag mit Verdacht auf einen Virus bereits drei Tage auf der Intensivstation in der Offenburger Kinderklinik. „Ein Bild, das keine Mutter sehen möchte“, denkt Carmen Langenecker ungern an die schwere Zeit zurück. „Im ersten Moment riss es mir den Boden unter den Füßen weg, obwohl mir mein Bauchgefühl sagte, dass mit meinem Kind etwas nicht stimmt.“ Und sie fühlte sich völlig allein gelassen. Zwar gab es einen Ordner als Leitfaden, „quasi ein Muko-Logbuch“, doch damit wusste sie wenig anzufangen.

Ihr Umfeld habe sich immer mehr distanziert, „die Leute wurden unsicher“. Lediglich ihr Chef sprach ihr Mut zu und hatte Verständnis, dass sie als Lastwagenfahrerin eine Weile ausfiel. Inzwischen können fast alle damit umgehen. Aber nur fast. In der Grundschule war es für Kyra oft schwer. „Kinder können gemein sein“, findet die Mutter. Ihre Tochter wurde gehänselt, und es ging sogar soweit, dass es hieß: „Du stirbst ja eh“. Inzwischen besucht Kyra die fünfte Klasse der Moscherosch-Gemeinschaftsschule in Willstätt. Dort wissen noch nicht alle, dass sie krank ist. Carmen Langenecker bestand auf einen Test bei ihrem zweiten Ehemann Michael, als er seinen Kinderwunsch äußerte. Als das Ergebnis eintraf, dass auch ihr zweiter Partner Gendefekt-Träger ist, war sie bereits mit Isabella schwanger, ohne es zu wissen. Klar war für beide, das Kind zu bekommen und es zu lieben, „egal, wie es ist“. Immerhin bestand eine 4:1-Möglichkeit, dass es gesund ist. Durch ein Neugeborenen-Screening war bald die Diagnose klar.

Sehr dankbar ist Carmen Langenecker über die Unterstützung durch die Regionalgruppe. So war es bei Kyra noch ein langer Kampf, als es um Pflegegrad und Schwerbehindertenausweis ging, und dank der Gruppe bei Isabella einfacher, nennt die Mutter nur ein Beispiel.

Eine große Erleichterung sei die mobile Physiotherapie. „Es kostet mit zwei Kindern sonst wahnsinnig viel Zeit.“ Und die ist knapp, denn der Tagesablauf dreht sich fast ausschließlich um die Kinder. Carmen Langenecker ist stolz auf ihre Töchter, wie sie die Situation meistern. „Wir lassen uns nicht unterkriegen und blicken positiv in die Zukunft.“

Erschienen in der Mittelbadischen Presse am 10.11.2020