Spendenaktion „Leser helfen“: Jochen Uhl aus Hausach musste mit 26 Jahren wegen seiner
Mukoviszidose-Erkrankung eine Lunge transplantiert werden. Er berichtet vom Leben danach.
VON CHRISTIANE AGÜERA OLIVER
Hausach. Jochen Uhl und Bianca Gemeinder sind ein Paar, beide haben Mukoviszidose und in jungen Jahren eine neue Lunge erhalten – mit unterschiedlichem Verlauf. Dass Jochen Uhl und Bianca Gemeinder aus Hausach an der schweren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leiden, sieht man dem jungen Paar nicht an. Beide haben eine Spenderlunge erhalten und einen völlig unterschiedlichen Verlauf nach der Transplantation erlebt. Wie wertvoll die Arbeit der Selbsthilfegruppe Mukoviszidose Ortenau ist, unterstreichen sie. „Leser helfen“, die jährliche Benefizaktion der MITTELBADISCHEN PRESSE, sammelt für die Selbsthilfegruppe, vor allem für die Aufrechterhaltung der mobilen Physiotherapie.
Heute wissen beide, wie wichtig diese ganz spezielle Physiotherapie ist. „Als Kind versteht man das nicht und macht die Therapie halt mit. Als Jugendlicher hat man da schon keinen Bock mehr drauf“, erinnert sich Jochen Uhl. „Ich hätte doch mehr tun sollen. Auch wenn die Eltern damit einfach nur nervten und doch recht hatten“, dachte er sich als 22-Jähriger, als ihm das Atmen immer schwerer fiel. Mit 25 besuchte Jochen Uhl noch Festivals, da mussten ihn seine Freunde schon tragen, weil das Gehen für ihn zu anstrengend war. Ab 26 kam er ohne Sauerstoff-Flasche nicht mehr aus.
Bei der Reha, im März 2019 auf Gran Canaria, sei dann „nichts mehr gegangen“. Seine Lungenfunktion war auf 22 Prozent gesunken. Die zahlreichen Voruntersuchungen und Vorgespräche für eine Transplantation waren abgeschlossen, als sich der damals 26-Jährige am 20. Juli 2019 um 13 Uhr auf die Liste setzen ließ. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass schon am nächsten Morgen, am 21. Juli, um 5 Uhr der Anruf kam, dass eine Lunge für ihn da sei. „Ich hatte noch nicht mal meinen Notfall-Koffer gepackt“.
Mit dem Krankenwagen kam er nach München, wo ihn rund 15 Personen im Operationssaal erwarteten. „Eine solche OP dauert etwa sechs Stunden. Meine Lunge war so kaputt, dass es zwölf Stunden brauchte“, beschreibt er.
„Atmen Sie!“, ermahnte ihn der Arzt. „Es war das schlimmste Atmen, das es gibt, so schlecht ging es mir davor nicht“, so sein erster Eindruck, als er aufwachte. Drei Tage lag Jochen Uhl im künstlichen Koma, zehn Tage auf Intensiv und noch mal sechs Wochen auf der „normalen“ Station, bevor es zur dreiwöchigen Reha nach Berchtesgaden ging.
Gehen lernen
Schon als er noch auf der Intensiv lag, musste er aufstehen und das Gehen erst wieder lernen. „Man muss es wollen, dann wird es von Tag zu Tag auch besser“, macht er Mut. Ende November wird Jochen Uhl 28. Doch er feiert ebenso den Tag der Transplantation als seinen Geburtstag.
Er ist froh, sich dieser Transplantation unterzogen zu haben. Die Krankheit Mukoviszidose ist damit aber nicht besiegt. Etwa 40 Medikamente nimmt er täglich ein und Physiotherapie steht weiter auf dem Programm. Und trotzdem, „es ist ein ganz anderes Lebensgefühl“. Inzwischen kann Jochen Uhl mit dem Familienhund „Nero“ spazieren gehen, auch kleine Wanderungen sind wieder möglich. So fuhr er früher mit dem Auto zur Arbeit. Heute geht er zu Fuß ins Hausacher Rathaus.
Dort schloss er seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten ab und arbeitete als stellvertretender Kassenverwalter, ab 2016 teilweise erwerbsgemindert zu 50 Prozent. Eine 450-Euro-Stelle wurde für ihn extra geschaffen, als er 2018 die volle Erwerbsminderung erreichte. Er ist froh und dankbar darüber, dass er weiter auf dem Rechnungsamt arbeiten darf, wenn auch nur stundenweise.
„Es kann bis zu zwei Jahre dauern, bis die Lunge richtig funktioniert“, sagt Jochen Uhl. Bei seiner Lebensgefährtin dauerte es allerdings fünf Jahre, bis sich ihr Körper einigermaßen erholte. Bianca Gemeinder aus Donaueschingen erhielt ihre neue Lunge im Jahr 2011, da war sie gerade 19 Jahre alt. Während die Krankheit vor der Transplantation ähnlich wie bei Jochen Uhl verlief, gab es im Nachhinein schlimme Komplikationen, mit ungewissem Ausgang. Zwei Monate wurde sie künstlich beatmet. Ein weiterer Monat im Krankenhaus und drei Wochen in Reha folgten.
Das Paar wohnt seit Kurzem zusammen, beide wissen das sehr zu schätzen. „Bei Problemen muss man dem anderen nichts erklären, es ist vieles leichter“, sagen beide.
Organ abgestoßen
Der Verdacht auf eine Abstoßung der Lunge hat sich bei der jungen Frau bestätigt. Derzeit durchläuft sie sämtliche Voruntersuchungen, um möglichst bald wieder auf die Transplantations-Liste zu kommen. „Von OP zu OP wird es schwieriger“, sagen beide. Eigentlich wollte sich Bianca Gemeinder nicht noch einmal einer solchen Strapaze mit möglichen Komplikationen aussetzen. Doch ihr Partner habe ihr „den Kopf gewaschen“.
Vor einem solchen Eingriff habe man Respekt. „Wir sind jung, uns können dadurch noch ein paar Jahre ermöglicht werden“, sagt Jochen Uhl. Es müsse auch nichts schiefgehen, so wie es sich bei ihm zeigte. Und eins stellen beide klar: „Wir wollen einfach im Hier und Jetzt leben. Auf was sollen wir warten?“ Beide sind ihren Organspendern unendlich dankbar. Ohne die „neue“ Lunge hätten beide nicht überlebt.
Erschienen in der Mittelbadischen Presse am 16.11.2020