Die MITTELBADISCHE PRESSE unterstützt mit der Spendenaktion „Leser helfen“ die Mukoviszidose-Selbsthilfegruppe Ortenau. Die Psychologin Isolde Krug erläutert, wie sie den Patienten hilft.
VON CHRISTIANE AGÜERA OLIVER
Menschen, die an Mukoviszidose erkranken, benötigen auf vielfältige Art und Weise Hilfe. Deshalb unterstützt die MITTELBADISCHE PRESSE mit der Spendenaktion „Leser helfen“ die Arbeit der Mukoviszidose-Selbsthilfegruppe Ortenau. Im Interview erläutert die Psychologin Isolde Krug, in welcher Lebensphase die Patienten vor allem ihrer Hilfe bedürfen.
■ Frau Krug, was macht die Diagnose Mukoviszidose (oder Cystic Fibrosis/CF) mit den Eltern?
Wird die Diagnose – meist schon kurz nach der Geburt gestellt, entstehen oft erst einmal große Ängste und Trauer bei den Eltern. Der wichtigste Wunsch aller Eltern, dass ihr Kind gesund und beschützt aufwachsen kann, ist bedroht. Aus dieser emotionalen Krise wieder herauszufinden, ist ein Prozess, der Zeit braucht – und hier ist die engmaschige Unterstützung durch das Gesamt-CF-Team oft sehr wichtig. Ausführliche Aufklärung und Umsetzung von Behandlungsmöglichkeiten, die heute viel mehr Optionen bieten als noch vor Jahren, macht es den Eltern leichter, Schritt für Schritt wieder Mut zu fassen und zu erleben, dass ihr Kind weitgehend normal aufwachsen kann.
■ Und was macht dieses Wissen mit dem Patienten?
Die Kinder und Jugendlichen wachsen mit der Krankheit auf. Für Außenstehende ist das schwer vorstellbar, doch die Erkrankung ist in der Regel ein Teil ihres Alltags. Sie definieren sich nicht über Mukoviszidose, sondern wollen als diejenigen wahrgenommen werden, die sie sind – mit allen Facetten. Und vor allem: Ganz normal!
■ Weshalb benötigen manchmal schon Kinder psychologischen Beistand?
Kinder und Jugendliche mit CF sind in ihrem Alltag mit vielen Anforderungen konfrontiert, regelmäßige Arztbesuche und tägliche Behandlungsmaßnahmen durchführen, zum Beispiel Inhalieren, Medikamenteneinnahme, atemtherapeutische Übungen, die andere Gleichaltrige nicht haben. Die Aufgabe, ein stabiles und positives Selbstbild zu entwickeln, ist für diese Kinder phasenweise schwerer. Das kann manchmal dazu führen, dass therapeutische Unterstützung sinnvoll ist. Gleichzeitig erleben wir viele Patienten und Familien, die aus ihrer positiven Einstellung zu sich und ihrem Leben Kraft schöpfen und ihren Alltag sehr gut meistern.
■ Wie schwierig ist es, kranke Jugendliche durch die Pubertät zu bringen?
Die Pubertät ist eine Lebensphase des sich Ausprobierens, sich ablösen vom Elternhaus, selbstständig werden. Dazu gehört oft auch, sich nicht immer an die Regeln zu halten und auch nicht vorauszuplanen. Dieser Prozess, der natürlich nicht immer reibungslos abläuft, führt bei manchen Eltern zu großen Sorgen und Angst um die Gesundheit ihres Kindes. Miteinander im Gespräch bleiben, Vertrauen haben und Schritt für Schritt dem Kind, dem Jugendlichen mehr Verantwortung zu übertragen, ist wichtig. Sehr wichtig für einen gelingenden Ablöseprozess ist auch die Gleichaltrigen-Gruppe. Gespräche mit anderen betroffenen Jugendlichen, zum Beispiel in einer Jugendlichen-Reha, können eine gute Hilfe sein.
■ Drehen sich alle Gespräche um die Mukoviszidose?
Für unsere Patienten ist es wichtig, zu zeigen, dass Mukoviszidose zwar ein wichtiger Teil ihres Lebens ist – aber eben auch nicht alles. Die Gespräche haben daher viele verschiedene Themen und Anliegen, zum Beispiel Schule, Kontakte oder Konflikte mit Gleichaltrigen, Herausforderungen unterschiedlicher Art, mit denen man momentan vielleicht nicht so gut klarkommt. Für die Patienten ist dabei aber schon hilfreich, dass sie wissen, die Psychologin kennt sich aus mit Mukoviszidose und weiß, was das für den Alltag bedeuten kann. Da müssen sie nichts erklären.
■ Welche Rolle spielt der Glaube bei den Gesprächen?
Der Glaube oder Spiritualität spielt für einige Familien eine wichtige Rolle und ist eine Kraftquelle. Das halte ich für etwas sehr Bedeutsames.
■ Wie kommen gesunde Geschwister damit klar, wenn sich vieles in der Familie um das kranke Kind dreht?
„Rücksicht nehmen, sich anpassen und nicht auffallen“ wird für manche der gesunden Geschwister zum Problem. Es ist für Eltern nicht immer leicht und auch nicht immer möglich, auch den Geschwisterkindern zu jedem Zeitpunkt gerecht zu werden. Wichtig ist, dass es den Raum gibt, auch über Gefühle wie Zorn, Eifersucht oder auch Schuldgefühle reden zu können und dass die Geschwisterkinder spüren: auch ich werde gesehen. Hier empfinde ich die Möglichkeiten, die eine Familien-Reha bietet, als enorm wertvoll.
■ Wie kann den Angehörigen geholfen werden?
Wir bieten für ganz unterschiedliche Anliegen in erster Linie natürlich die medizinische Versorgung, dazu psychosoziale, sozialrechtliche Beratung, Physiotherapie, pädagogische Beratung, Ernährungsberatung, in unserer interdisziplinär besetzten Mukoviszidose-Ambulanz jeweils Ansprechpartner.
■ Benötigen auch Menschen, die mit Mukoviszidose-Patienten zu tun haben, psychologische Hilfe?
Unsere Erfahrung und Professionalität helfen uns da sicher. Wichtig ist auch: wir erleben keinesfalls nur Leiden, sondern auch oft erfreuliche Entwicklungen und bekommen dadurch vieles zurück. Es gibt dennoch einzelne Schicksale, die auch uns sehr an die Nieren gehen. Wir können das innerhalb des Teams gut besprechen und uns damit entlasten.
■ Wie wichtig ist für Sie die Arbeit der Selbsthilfegruppe?
Ich halte das für sehr wichtig. Für viele Eltern bietet die Gruppe mit dem Kontakt untereinander sehr viel emotionale Unterstützung und Austausch, ebenso die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und sich zu engagieren. Auch unsere Arbeit wird dadurch ganz konkret durch das Engagement der Selbsthilfegruppe unterstützt.
Erschienen in der Mittelbadischen Presse am 07.12.2020